"Hagen kackt ab" - oder geht hier noch was?

WDR Stadtgespräch am 05.06.25 im Schumachermuseum

Unter dem provokanten Titel, der dem Motto eines Hagener Karnevalswagen entlehnt war, fand ein Stadtgespräch des WDR Hörfunks im randvollen Foyer des Schumacher Museums statt. Schwer zu sagen, ob der Andrang auf den Titel oder den benachbarten sehr gut besuchten „ersten Feierabendmarkt“ zurückzuführen war. Beifalls- und auch Unmutsbekundungen des Publikums liessen aber auf ein reges Interesse der Stadtgesellschaft schliessen. Obwohl Motto und ein Bild der WDR Seite nahegelegt haben, es ginge vorrangig um die Brückensituation, insbesondere die Ebene 2, blieb die Nachfrage einer Bürgerin, warum die Grüne Brücke als Park seitens der Verwaltung nicht weiterverfolgt wurde, unbeantwortet. 

Hagens "Polykrise"

Das Diskussionsformat sah vor, in jeweils einer halben Stunde erst Probleme zu sammeln und dann mögliche Lösungen aufzuzeigen. Trotz exzellenter Moderation durch Herrn Erdenberger vom WDR war es in diesem Rahmen schier unmöglich, Hagens vielfältige Probleme in der Tiefe zu bearbeiten. Gerade auch durch die Nachfragen der Bürgergesellschaft kamen folgende Probleme auf den Tisch: Abwanderung von Industriebetrieben und Kaufkraftverlust, Armutsmigration bevorzugt aus Südosteuropa und Spaltung der Stadtgesellschaft, das schrumpfende und unattraktive gastronomische Angebot, die kritische Mobilitätssituation, Sicherheit und Sauberkeit. Es kamen immer wieder kluge Vorschläge aus dem Publikum, Beispiel; „die Stadt zu den Flüssen öffnen, Aufenthaltsqualität schaffen, Fernradwege für den Tourismus…“.  Auch wurde von Bürger:innen gefordert, der Abwärtsspirale von Armutszuwanderung, Attraktivitätsverlust der Innenstadt und Einschränkung der kulturellen und gastronomischen Angebote durch Investition in Bildung, Kinder und Jugendliche zu begegnen.
 

Was Alles nicht geht

Zwar wurde in der Diskussion vom Podium, aber auch zahlreichen Teilnehmern auf die Verbundenheit mit und Stärken des Standorts hingewiesen. Antworten von Politik und Wirtschaft auf kritische Fragen der Bürger beschränkten sich aber häufig auf das, was nicht geht. Dr. Geruschkat, SIHK, fordert Hilfen von Land und Bund bzgl. der Armutsententwicklung und ungehinderte (Auto-)Mobilität, was die Frage aufwirft, wie so die politisch beschlossene Mobilitätswende gemeistert werden soll. Der noch bis zum 31.10.2025 im Amt befindliche Oberbürgermeister Erik O. Schulz erklärte die von mehreren Bürgerinnen problematisierte Stadtsicherheit zum subjektiven Problem, was sich sicher statistisch gut begründen läßt, aber nicht gut ankam. Flächen für Industrie und Handel stünden nicht zur Verfügung wegen notorisch störrischer Eigentümer, die nicht verkaufen wollen (war da nicht mal was mir der Westside?). Und - Thema Verkehrswende - Hagen habe sich vom bundesweiten Schlusslicht auf einen hinteren Platz beim Radverkehr vorgearbeitet. Jetzt würden Bürger fordern, die Radwege wieder für Autos freizugeben. Soweit würde er nicht gehen. Soll heißen: man solle sich mit dem bisher Erreichten begnügen.


„Wir machen das jetzt“

Die Krise der Kommunalverwaltung trifft viele Kommunen. Ein in diesem Zusammenhang lesenswertes Buch mit dem Titel „Wir machen das jetzt“ stammt von Lisa Federle und Boris Palmer, dem Oberbürgermeisterkollegen aus Tübingen. Sicher, Tübingen liegt im Vergleich zu Hagen auf einem anderen Planeten und Herrn Palmers mediale Skandalisierung könnte von der Lektüre abschrecken. Ein zentrales Kapitel handelt vom „Tübinger Model“ während der Corona-Pandemie, welches ein mit Augenmaß durchgeführtes elaboriertes Testkonzept mit Kontaktsperre-Lockerungen verband. In diesem Rahmen setzte die Stadt Corona-Selbsttests ein, deren Durchführung zum Zeitpunkt des Einsatzes noch nicht bis ins Letzte zertifiziert waren. Auf die Pressefrage, wer dafür die Verantwortung übernehmen würde, antwortete Herr Palmer: „ich übernehme die Verantwortung“. Etwas mehr von diesem Spirit stünde auch Hagen gut an.


 

Grüne Brücke lebt!


Leider hat die teilweise irre-führende Pressebericht-erstattung dazu geführt, dass die weiterführenden Ziele des Vereins – Gestaltung und Aufwertung des Quartiers Altenhagen, Entwicklung stadtplanerischer Ideen bzgl. des Volmeufers, der "East – und Westside", Förderung erster Schritte zur Grünen Transformation – vollkommen in den Hintergrund getreten sind. 

 

 

 

Wie kam es dazu?

Wie die WP berichtete hatte die Allianz bestehend aus CDU, Grünen und FDP am 26.10.2023 eine umfangreiche Beschlussvorlage für den Rat der Stadt im Stadtplanungsausschuss vorgelegt, die der Verwaltung jedweden Kontakt oder gar Unterstützung des Vereins Grüne Brücke Hagen untersagen sollte.

In der 9-seitigen Beschlussvorlage wurden als Motive dieser ungewöhnlichen Vorgehensweise die Sorge um Steuermittel und auch die Besorgnis genannt, das Thema Grüne Brücke könnte Gegenstand im Kommunalwahlkampf 2025 werden. 
Das Bemühen des Vereins, eine breite Diskussion in der Bürgerschaft zu Fragen der Stadtentwicklung und Ökologie anzustoßen, wird in der umfangreichen Beschlussvorlage als „demokratietherapeutischer Ansatz“ diffamiert. 

Der Vorgang wirft kein gutes Licht auf die politische Diskussions-kultur und das Demokratie-verständnis einzelner Kommunalpolitiker. 
Zumal der bereits dritte bundesweite Bürgerrat getagt hat und in vielen Kommunen breite bürgerschaftliche Mitarbeit (statt nur „Partizipation“) selbstverständlich ist – Beispiel Aachen

Das Abriss  die einzig denkbare Antwort auf die „Bausünden“ der 70er Jahre ist, bezweifeln wir stark. 

WP auf Facebook, 31.10.2023


Wir werden uns als Verein Grüne Brücke weiter für eine ergebnisoffene Diskussion über Quartiersentwicklung, Umbau-kultur und Grüne Transformation in Hagen einsetzen, natürlich unter Beteiligung aller Akteure, Politik, Verwaltung und Zivil-gesellschaft.

 

"Das kann doch wohl weg!"

Abriss als Vergangenheitsbewältigung?

Nein! Wir müssen nicht erst über sieben Brücken gegangen sein und sieben dunkle Jahre überstanden haben, um - wie es ein bekannter Liedtext nahelegt- die Bedeutung von Brücken für das Zusammenkommen und das Zusammenleben der Menschen zu erkennen. Ohne Brücken führen alle Wege irgendwann nicht mehr weiter!

Aus dieser fundamentalen Erkenntnis folgt allerdings nicht der Schluss, dass nun alle Brücker per se und für immer ihre Existenzberechtigung gesichert haben. Es gibt Brücken, die sind klapprig und baufällig - andere führen ins Nichts und wieder andere trennen die Menschen, statt sie zu verbinden. Die Nachkriegs-Beton- Brückenmonster, die Verkehrsplaner sich ausgedacht und im Sinne der autogerechten Stadt gebaut haben, vergegenwärtigen uns das bis heute äußerst eindrucksvoll.

Die Süddeutsche Zeitung beschrieb unsere Heimatstadt Hagen so:

„Schnellstraßen fallen von den grünen Höhenzügen ringsum in die Stadt ein, berühren die Talsohle, schlagen hohe Brücken an Küchen und Wohnzimmern vorbei, senken sich ins nächste Gewerbegebiet ab und suchen den direkten Anschluss an die Autobahnen, die die Stadt einschnüren. Hagen rechnet nicht mit Aufenthalt, sondern mit Durchgangsverkehr.”  Der Zeitungsredakteur hat unsere Hochbrücke in Altenhagen im Auge gehabt, die Brücke, die nun- vom vielen Autoverkehr überfordert - nur maximal noch zehn weitere Jahre ihren Dienst tun kann.

Was liegt also näher, als endlich Schluss zu machen mit einer aus der Zeit gefallenen Missgeburt- um - wie es ein Grüner Hagener Kommunalpolitiker fordert- mit ihrem Abriss endlich ein symbolträchtiges Zeichen zu setzten gegen den Wahn der autogerechten Stadtplanung vergangener Zeiten! 
 

Einen Moment bitte: 

Liegt bei unserem Kommunalpolitiker nicht ein merkwürdiges Missverständnis vor? Denn es war doch der Hagener Wiederaufbau in der Nachkriegszeit, dem wir auch diese Brücke zu verdanken haben, der sich gerade durch den zweifelhaften Versuch der “Vergangenheitsbewältigung durch Abriss” auszeichnete! Was weg ist, ist weg! Aus den Augen, aus dem Sinn!

Exakt in diesem fatalen Abriss-Geist sollen wir heute Zeichen gegen den Planungswahn der autogerechten Stadt setzen?

„Der erste Fehler war die Errichtung. Der zweite Fehler war der Abbruch." (der Wiener Architekt Friedrich Kurrent).

 

Unsere Alternative:

”Eine ehemalige Vorhölle des Massenverkehrs, in der Anwohner*innen aus fünf Meter Distanz das Vergnügen haben, 24 Stunden am Tag Autos zu sehen, hören, riechen, verwandeln wir in einen Brückenpark für Fußgänger und Radfahrer, in einen Ort, der zum Flanieren einlädt, in einen Stadtteilpark in luftiger Höhe”.

Und für alle diejenigen, die sich später gar nicht mehr an das Massenverkehrsmonster erinnern, könnten Bildertafeln aufgestellt werden, die an den alten überkommenden Zustand erinnern. So- und nicht durch Abriss- wird die grüne Brücke zu einem Symbol der gelungenen grünen Transformation ….

Dabei geht es doch um sehr viel mehr als um schöne Symbolik!

Es geht um Verbindungen: Zum Hagener Bahnhof und zur Innenstadt, zu den umliegenden Quartieren!

Es geht um einen tagtäglich erlebbaren neuen Raum für persönliche Begegnungen, Austausch und Kontakte! Auf und unterhalb der Brücke!

Genau! Es geht um eine grüne Brücke, die verbindet!

 

 

©Urheberrecht. Alle Rechte vorbehalten.

Wir benötigen Ihre Zustimmung zum Laden der Übersetzungen

Wir nutzen einen Drittanbieter-Service, um den Inhalt der Website zu übersetzen, der möglicherweise Daten über Ihre Aktivitäten sammelt. Bitte überprüfen Sie die Details in der Datenschutzerklärung und akzeptieren Sie den Dienst, um die Übersetzungen zu sehen.